Technologiezentrum Fahrzeugsicherheit (TFS): Vielfältige Testmöglichkeiten für Sicherheitsinnovationen

09.09.2019
Stuttgart

Das im November 2016 eröffnete Technologiezentrum Fahrzeugsicherheit (TFS) ist Teil des Entwicklungszentrums in Sindelfingen und eines der modernsten Crashtest-Zentren der Welt. Im TFS hat Mercedes-Benz vielfältige Testmöglichkeiten, um bei der Fahrzeugsicherheit Vorreiter zu bleiben. Neue Ideen und Sicherheitskonzepte, wie sie das ESF 2019 zeigt, können dort entwickelt und validiert werden.

Das flexible, effiziente Crashbahnkonzept im TFS bietet nicht nur die Möglichkeit klassischer Crashtests, sondern schafft die Voraussetzungen für neue Versuchsanordnungen: Fahrzeug-Fahrzeug-Kollisionen (Car2Car) unter allen Winkeln, die Evaluierung von PRE-SAFE®, automatisiert gefahrene Manöver mit anschließendem Crash, Crashtests mit Lkw sowie mit Elektrofahrzeugen und anderen alternativen Antrieben. Insgesamt sind rund 70 verschiedene Crashtest-Konfigurationen möglich. Hinzu kommen das Schlittenprüffeld zur Erprobung von Komponenten und neue Methoden zur Vermessung der Fahrzeuge vor und nach dem Crash.

Traditionell führt Mercedes-Benz mehr und anspruchsvollere Crashtests durch, als es Gesetze vorschreiben und Ratings erfordern. Die vielfältigen Testmöglichkeiten im TFS unterstützen den Automobilbauer bei dieser Schrittmacherfunktion. Mercedes-Benz arbeitet daran, den Crashtest in der Halle noch stärker am Ablauf eines Straßenunfalls zu orientieren. So sollen zukünftig auch PRE-SAFE® Systeme noch besser beurteilt werden können, wenn z. B. vor dem eigentlichen Aufprall eine Notbremsung oder ein Ausweichen stattfindet.

Das TFS bietet dafür die notwendigen Platzverhältnisse, so misst die längste Crashbahn mehr als 200 m. Insgesamt sind fünf Crashblöcke vorhanden, wovon einer im Raum flexibel verfahrbar und ein weiterer um die Hochachse drehbar ist. Diese beiden Crashblöcke sind für den effizienten Betrieb an jeder ihrer vier Seiten mit einer anderen Barriere vorkonfiguriert. Zusammen mit einem mobilen Trennwandsystem ermöglicht die Anlage den gleichzeitigen und unabhängigen Betrieb von bis zu vier Crashbahnen. Dank des Betriebskonzeptes und des flexiblen Anlagenlayouts können im Jahr rund 900 Crashtests durchgeführt werden. Hinzu kommen etwa 1.700 Schlittenversuche pro Jahr.

Der große, säulenfreie Bereich eignet sich z. B. für die Erprobung von Pre-Crash Systemen in der Vorunfallphase oder auch für Fahrzeug-Fahrzeug-Versuche. Dabei kann das getestete Fahrzeug auf herkömmliche Weise durch ein Zugseil angetrieben werden. Außerdem wird daran gearbeitet, dass sich die Testwagen in Zukunft mit eigener Motorkraft frei programmierbar, also unabhängig von der Seilzuganlage, bewegen können.

Zur Entwicklung und Feinabstimmung von Rückhaltesystemen wie Sicherheitsgurten, Airbags oder Kindersitzen ist eine Vielzahl von Tests nötig – der Reifegrad der Komponenten wird schon vor dem Gesamtfahrzeugversuch in so genannten Schlittenversuchen überprüft. Bei einem Schlittenversuch wird nicht jedes Mal ein ganzes Fahrzeug beschädigt, welches im frühen Stadium sehr teuer und nur in kleinen Stückzahlen verfügbar ist. Stattdessen wird eine versteifte Karosserie mit den notwendigen Inneneinbauten auf einen Schlitten gespannt und so beschleunigt, dass im Innenraum die Wirkung z. B. eines Frontalcrash nachgestellt wird. Durchgeführt werden diese Prüfungen im TFS auf insgesamt vier verschiedenen Schlittenanlagen, mit denen der Beschleunigungs-/Verzögerungsbereich mit G-Kräften von etwas über 0 bis ca. 80 g, bei einzelnen Komponententests sogar bis 120 g abgedeckt wird.

Der Neubau: extrem ebener Boden als Herausforderung

Der Neubau des TFS war ein aufwendiges Bauprojekt und kostete einen dreistelligen Millionenbetrag. Erste Vorplanungen begannen bereits vor über zehn Jahren, der Baubeginn war im Herbst 2013, Richtfest wurde am 12. Mai 2015 gefeiert, der erste produktive Crashtest wurde am 30. September 2016 durchgeführt.

Die Herausforderungen bestanden unter anderem darin, dass in der großen Crashtesthalle keine Säulen stehen durften und der Boden der Crashbahnen extrem eben sein sollte. Zu den baulichen Besonderheiten zählt ebenso die Temperierung mit Hilfe der Abwärme der benachbarten Klimawindkanäle.

Die Dimensionen und der Materialeinsatz beim Bau des TFS sind beeindruckend: Der stützenfrei überdachte Teil der Crashhalle ist mit 90 Metern mal 90 Metern deutlich größer als die Fläche eines Fußballplatzes. Verbaut wurden insgesamt über 7.000 Tonnen Stahl, etwa so viel wie im Eiffelturm. Und der Einsatz von insgesamt 36.000 m³ Beton lässt sich illustrieren mit einer rund 40 Kilometer langen Schlange von Betonmischer-Fahrzeugen.

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