Mercedes-Benz W 154 (1938 bis 1939)

20.08.2012
  • Fahrzeug übertrumpft auf Anhieb die exzellenten Vorgaben seiner Vorgänger
  • Mit neuem Mix herausragender Technikkomponenten an die Spitze des Feldes
Im September 1936 steckt die Motorsport-Behörde AIACR die von 1938 an geltende Grand-Prix-Formel ab. Die Kernpunkte: maximal 3 Liter Hubraum mit Kompressor oder 4,5 Liter für Saugmotoren, mindestens 400 und höchstens 850 Kilogramm Gewicht, je nach Hubraum. Diese Vorgaben verlangen die Entwicklung eines ganz neuen Fahrzeugs. Die Saison 1937 ist noch in vollem Gang, als bei Mercedes-Benz bereits die Entwicklung des Rennwagens für das nächste Rennjahr startet.
Die Rennsport-Ingenieure sprühen geradezu vor Ideen: Sie erwägen einen W24-Saugmotor mit drei Bänken und je acht Zylindern ebenso wie einen Heckmotor, direkte Benzineinspritzung und Vollstromlinie. Vor allem aus thermischen Gründen entscheiden sich die Konstrukteure schließlich für einen V12 mit 60 Grad Gabelwinkel, den der Spezialist Albert Heeß im Hause Daimler-Benz selbst entwickelt. Je drei geschmiedete Stahlzylinder sind in aufgeschweißten Stahlblech-Kühlmänteln vereint, die Köpfe nicht abnehmbar. Starke Pumpen lassen pro Minute 100 Liter Öl durch das rund 260 Kilogramm schwere Aggregat laufen. Unter Druck gesetzt wird es zunächst von zwei Einstufenkompressoren, die 1939 von einem Zweistufenkompressor ersetzt werden.
Bereits ab Januar 1938 arbeitet der Motor auf dem Prüfstand. Sein erster fast störungsfreier Probelauf folgt am 7. Februar, wobei er mit 427 PS (314 kW) bei 8.000/min aufwartet. Im Durchschnitt stehen den Fahrern in der ersten Hälfte der Saison 430 PS (316 kW) zur Verfügung, am Ende sind es mehr als 468 PS (344 kW). Über das mit 483 PS (355 kW) stärkste Exemplar verfügt Hermann Lang beim Großen Preis von Frankreich in Reims. Und erstmals hat ein Rennwagen von Mercedes-Benz fünf Gänge.
Viel leichter als seine Kollegen von der Motorenentwicklung tut sich Fahrwerkingenieur Max Wagner, der die fortschrittliche Chassis-Architektur des W 125 aus dem Vorjahr weitgehend unverändert übernimmt, dem Rahmen allerdings eine noch einmal um 30 Prozent verbesserte Verwindungssteifigkeit gibt. Der V12-Motor ist tief eingebaut. Die Lufteinlässe der Vergaser schauen mitten aus dem Kühler hervor, der Grill davor wird im Vorfeld der Saison immer breiter. Der Pilot sitzt rechts neben der Kardanwelle, sodass der W 154 tief geduckt über dem Asphalt kauert. Seine Räder überragen deutlich die Karosseriesilhouette. Das sorgt nicht nur für einen optisch-dynamischen Auftritt, sondern senkt auch beträchtlich den Schwerpunkt. Die Werkspiloten, auf deren Erfahrung sich Technikchef Rudolf Uhlenhaut fast unbesehen verlassen kann, zeigen sich spontan äußerst angetan von der Straßenlage des W 154.
Eindrucksvolle Dominanz: Dreifachsiege in Serie
Und tatsächlich übertrumpft der W 154 die exzellenten Vorgaben seiner Vorgänger: Dieser Silberpfeil bringt der Rennabteilung von Mercedes-Benz die meisten Siege der Epoche. Das erste Rennen der Saison 1938 endet noch mit einer Enttäuschung: Auf der kurvenreichen Strecke in Pau/Frankreich kann der Wagen sein volles Potenzial nicht ausspielen und wird durch einen Tankstopp zurückgeworfen. Doch dann geht es Schlag auf Schlag. Das Rennen um den Großen Preis von Tripolis wird zum Dreifachsieg von Lang, von Brauchitsch und Caracciola. Beim großen Preis von Frankreich wiederholt Mercedes-Benz das Kunststück mit der Reihenfolge von Brauchitsch, Caracciola und Lang. Der Brite Richard Seaman, seit 1937 im Team, siegt beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring vor dem von Caracciola und Lang gemeinsam gefahrenen Wagen, während anschließend Hermann Lang die Coppa Ciano in Livorno und Rudolf Caracciola die Coppa Acerbo bei Pescara gewinnen. Beim Großen Preis der Schweiz kommen wieder drei W 154 auf die ersten Plätze (Caracciola, Seaman und von Brauchitsch), Rudolf Caracciola wird zum dritten Mal Europameister. Die Auto Union, deren Spitzenfahrer Rosemeyer bei Rekordfahrten im Januar 1938 tödlich verunglückt war, kann erst gegen Ende der Saison einzelne Erfolge verzeichnen.
1939, in der letzten Rennsaison vor dem Zweiten Weltkrieg, knüpft Mercedes-Benz mit dem W 154 an die Erfolge des Vorjahres an. Das erste Rennen der Saison ist der Große Preis von Pau, den Hermann Lang auf W 154 vor Manfred von Brauchitsch für sich entscheidet und sich so für die Niederlage im vergangenen Jahr revanchieren kann. Auch beim Eifelrennen im Mai kommt Lang als erster Fahrer ins Ziel, Caracciola wird Dritter, von Brauchitsch Vierter.
Der Zweite Weltkrieg verhindert Carraciolas vierten Europameistertitel
Hermann Lang führt diese eindrucksvolle Siegesserie weiter. Beim Wiener Höhenstraßen-Rennen holt er sich den Sieg im W 154 Bergrennwagen (von Brauchitsch 3.), die Platzierung wiederholen die beiden Piloten auch beim Großen Preis von Belgien in Spa. Caracciola gewinnt – zum fünften Mal – den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Beim Grand Prix der Schweiz kommt Lang vor Caracciola und von Brauchitsch ins Ziel. Er gewinnt auch das Rennen um den Großen Bergpreis von Deutschland am Großglockner und wird dadurch Deutscher Bergmeister 1939. Er ist eindeutig der beste Fahrer des Jahres, aber den Titel eines Europameisters kann die zuständige Behörde, die AIACR in Paris, nach Kriegsausbruch nicht mehr vergeben.
Zum letzten Mal starten die Silberpfeile 1939 im 2. Belgrader Stadtrennen am 3. September. Manfred von Brauchitsch kommt mit seinem W 154 auf den 2. Platz hinter Tazio Nuvolari auf Auto Union. Doch zu diesem Zeitpunkt hat bereits der Zweite Weltkrieg begonnen.
Mercedes-Benz W 154
Bauzeitraum:
1938 bis 1939
Zylinder:
V12
Hubraum:
2962cm³
Leistung:
bis 483 PS (355 kW)
Höchstgeschwindigkeit:
ca. 300 km/h
Großer Preis von Frankreich, 3. Juli 1938: Mercedes-Benz erzielte mit dem Rennwagen W 154 einen Dreifachsieg (Manfred von Brauchitsch – Rudolf Caracciola – Hermann Lang).
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Großglockner-Bergrennen, 6. August 1939. Der spätere Sieger Hermann Lang (Startnummer 128) mit einem Mercedes-Benz W 125 Bergrennwagen mit 5,6-Liter-Motor.
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Großer Preis von Belgien, 25. Juni 1939. Richard Seaman auf Mercedes-Benz Rennwagen W 154 mit der Startnummer 26 als er sich H.P. Müller auf Auto-Union nähert.
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Silberpfeile vom Typ W 154 als Fracht: Mercedes-Benz Renntransporter in den 1930er Jahren.
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Großer Preis von Frankreich in Reims, 1938: ein Mercedes-Benz Rennwagen vom Typ W 154 auf der Ladefläche eines Renntransporters.
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Doppelsieg beim Großen Preis von Pau, 8. April 1939. Der Sieger Hermann Lang auf Mercedes-Benz 3-Liter-Formel-Rennwagen W 154. Manfred von Brauchitsch belegt den zweiten Platz.
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Internationales-Eifelrennen auf dem Nürburgring, 21. Mai 1939. Rudolf Caracciola (Startnummer 12) erreichte mit einem Mercedes-Benz Rennwagen W 154 den dritten Platz in diesem Rennen.
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Coppa Ciano in Livorno, 7. August 1938. Der spätere Sieger Hermann Lang mit Rennwagen W 154 bei den Startvorbereitungen.
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Mercedes-Benz  Formel-Rennwagen W 154, 1938.
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Großer Preis der Schweiz bei Bern, 21. August 1938. Start im strömenden Regen. Die Mercedes-Benz W 154 Rennfahrzeuge setzten sich sofort an die Spitze und fuhren einem Dreifach-Sieg entgegen. Den ersten Platz belegte Rudolf Caracciola (rechts im Bild) gefolgt von Richard B. Seaman und Manfred von Brauchitsch.
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Coppa Acerbo bei Pescara, 14. August 1938. Beim Start setzten sich die Mercedes-Benz W 154 an die Spitze des Feldes. Manfred von Brauchitsch (Startnummer 46), dahinter Hermann Lang (Startnummer 40) und mit Startnummer 26 der spätere Sieger Rudolf Caracciola.
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Mercedes-Benz W 154 / M 163, Formel-Rennwagen, 1939.
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Mercedes-Benz 3-Liter-Formel-Rennwagen (W 154 / M 163) aus dem Jahr 1939. In modifizierter Ausführung von 1950. Mit nochmaligen Veränderungen (leicht abgewandelte Kühlermaske) kam der W 154 / M 163 im Jahr 1951 in Argentinien das letzte mal zum Renneinsatz.
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Dreifachsieg beim Großen Preis der Schweiz, 20. August 1939. Der Sieger Hermann Lang (Startnummer 16) während des Rennens auf einem Mercedes-Benz W 154. Zweiter Platz: Rudolf Caracciola. Dritter Platz: Manfred von Brauchitsch.
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Optimiert für noch schnellere Geschwindigkeiten: Mercedes-Benz Formel-Rennwagen W 154 aus dem Jahr 1939.
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Dreifach-Sieg beim Großen Preis von Tripolis, 15. Mai 1938: Hermann Lang (Foto) vor Manfred von Brauchitsch und Rudolf Caracciola, alle auf Mercedes-Benz W 154.
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Bolide mit ausgewogener Gewichtsverteilung: Mercedes-Benz W 154 aus dem Jahr 1938.
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Mercedes-Benz W 154, Formel-Rennwagen, 1938.
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Start zum Großen Preis von Italien in Monza, 11. September 1938. Drei Mercedes-Benz Formel-Rennwagen W 154 in der ersten Startreihe, von links: Startnummer 26: Hermann Lang, Startnummer 4: Manfred von Brauchitsch, Startnummer 12: Rudolf Caracciola. Drei von vier Wagen fielen aus, Caracciola verbeulte das Heck seines Wagens, als er gegen eine Barriere schleuderte. Brauchitsch übernahm den Wagen und sicherte noch einen dritten Platz.
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Dreifach-Sieg beim Großen Preis von Tripolis, 15. Mai 1938. Hermann Lang vor Manfred von Brauchitsch (Foto) und Rudolf Caracciola. Alle auf Mercedes-Benz W 154.
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Großer Preis der Schweiz bei Bern, 21. August 1938. Die Mercedes-Benz W 154 Rennfahrzeuge setzten sich sofort an die Spitze des Feldes und fuhren einem Dreifach-Sieg entgegen. Den ersten Platz belegte Rudolf Caracciola (Foto) gefolgt von Richard B. Seaman und Manfred von Brauchitsch.
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Großer Preis von Deutschland auf dem Nürburgring, 24. Juli 1938. Richard Seaman, der Sieger des Rennens mit Mercedes-Benz Formel-Rennwagen W 154 beim Tanken und Reifenwechsel.
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Rudolf Uhlenhaut während einer Testfahrt am Steuer des W 154. Die Probefahrt mit dem gewichtverminderten W 154 fand statt als Vorbereitung zum GP von Deutschland auf dem Nürburgring 1937. Als Neuheiten galten bei diesem Farzeug auch die Kraftstofftank-Verteilung und der Zweistufen-Kompressor.
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Rudolf Uhlenhaut am Steuer des Mercedes-Benz 3-l-Formel-Rennwagen (W 154) bei den ersten Testfahrten in Monza, 1938.
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Mercedes-Benz W 154 (1939)
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